Elternsein on the edge
Es folgt ein Rant zu #parentalburnout.
Ich finde es wirklich schwer erträglich, welche expliziten und unterschwelligen Eingriffe in unsere freie Zeit-, Geld- und Beschäftigungseinteilung Schule vornimmt. Ständig, sollen Eltern etwas tun, zu etwas beitragen, irgendwo sein. Gleichzeitig gibt es erheblichen sozialen Druck, welche Aktivitäten alle zu einer „guten“ Kindheit gehören.
Das krasseste und aktuelle Beispiel zuerst, weil es der Auslöser für diesen Rant ist. K1, 5. Klasse, nimmt am Wochenende mit seiner Klasse an einem Drachenbootrennen teil. Das ist hier lokal ein großes Ding, alle Schulen beteiligen sich da. Soweit so gut. Allerdings ist das ein Happening mit Teammotto, passenden Verkleidungen und Lagerdekoration. Auch Eltern bitte verkleiden. Es gab also im Vorfeld Anweisungen zum Kostüm, Bastelnachmittage, einen Elternabend um das Lager zu planen. Die Rennen sind den ganzen Tag. Alle müssen an einem Samstag kurz vor den Sommerferien von 9-19 Uhr da sein, mit Eltern (verkleidet), und Buffet, Bierbänke und Pavillons sind aufzubauen. Es gab 2 Trainingstermine, wo unser Kind als einziges (!) ohne Eltern war. Ich finde das übergriffig, dass 3 Samstage in der besten Sommerzeit davon voll sind. Insbesondere der nächste Samstag den ganzen Tag. Aber das ist keinesfalls alles.
Im aktuellen Schuljahr hatten wir allein für diese Klasse schon: Klassennachmittag, Tag der offenen Tür, Eltern-Kinder-Ausflug. Ein weiterer Klassennachmittag war geplant, wurde aber doch abgesagt. Zusätzlich waren wir für den Girls and Boys Day und für den Sozialen Tag in der Pflicht, den Kindern jeweils einen Platz zu suchen, weil für Fünftklässler sehr wenig Auswahl bestand, bzw. die Kinder auch einfach noch nicht gut allein was suchen können.
In der Grundschule nochmal einen drauf. Da muss zu den ganzen Festen (Tag der offenen Tür, Herbstfest, Adventsfest, Sommerfest) auch noch immer Kuchen gebacken und Standdienst absolviert werden. Zudem sollen Eltern Fahrdienste übernehmen, beim Sportfest helfen, Kekse backen, Basteltage und Projektwochen durchführen. Alles oft kaum machbar, wenn man länger als bis 12.00 arbeitet. Da kommt dann der Hinweis „Großeltern sind auch willkommen“ – unsere wohnen 150 bzw 350km weit weg. Wir ziehen uns da oft raus, es gibt andere, die sehr viel weniger arbeiten als wir, vor Ort Großeltern haben, beide Auto fahren dürfen etcpp sollen sie das machen. Aber die Kinder finden das natürlich nur so semi gut. Sie wollen auch, dass Mama und Papa mal in der Schule sind und was helfen.
Ein weiterer Punkt ist, dass in der Schule beim Erzählen vom Wochenende anscheinend „alle“ immer ganz tolle Ausflüge berichten. Natürlich ist das die subjektive Wahrnehmung des Kindes. Viele werden nie Ausflüge machen. Aber auch unter Eltern ist das „Wart ihr schon hier da und dort? Was macht ihr bei dem Wetter am Wochenende? Wir waren ja in Museum X, Freizeitpark Y und Schwimmbad Z“ meiner Wahrnehmung nach eine Selbstdarstellungskategorie. „Sieh her, wie gut wir unser Kind fördern“.
Unser K2 ist anfällig für sozialen Druck. Sie möchte auch tolle Sachen vom Wochenende und den Ferien erzählen. Ich habe nicht den Eindruck, dass es unseren Kindern an Beschäftigung und Anregung mangelt. Auch uns nicht. Im Gegenteil. Die Kinder haben jedes mehrere Hobbies. Die auch noch mit Zeitverbrauch, Feiern, Turnieren, Vorspielen einher gehen. Und wir sind auch eigentlich viel unterwegs, von Ende April bis zu den Sommerferien an fast jedem Wochenende zumindest einen Tag. Aber selten in Freizeitparks oder Spassbädern, weil das nämlich wieder nur Zeit wäre, in der wir auf Achse sind, ohne für uns etwas daraus zu gewinnen.
Aber all diese Anforderungen machen mich fertig. Wir brauchen unsere Nachmittage und Wochenenden. Sowohl die Kinder als auch wir brauchen Zeit, einfach nichts zu tun. Und uns um Haus, Garten, Wäsche zu kümmern. Wir brauchen Zeit, unsere Beziehungen und sozialen Bindungen zu pflegen. Auch die Kinder sollten eigentlich Raum haben, frei zu spielen, Freunde zu treffen, ganz ohne Programm. Alle Freunde mit Kindern haben durchgeplante Kalender bis in den Winter hinein. Freunde ohne Kinder beschweren sich zurecht, dass man kaum dazwischen kommt bei all den Plänen und Kindergedönsen. Und diese Kindertermine geben mir zumindest wenig, laugen mich weiter aus. Und keinesfalls bin ich damit allein.
Natürlich sind die Verpflichtungen in Schule, Kita und Freizeit nur eine Komponente dessen, was man als Parental Burnout zusammenfassen könnte. Doch sind sie Ausdruck eines systematischen Versagens darin, Carearbeit als echte Arbeit anzuerkennen sowie eine gute Unterstützungsinfrastruktur für Erziehende bereitzustellen und gut zu finanzieren. Der Anspruch an Erziehung wird eher größer, es gilt in einer schwierigen Zeit, Kindern ein gutes Päckchen mitzugeben, das sie resilient und gewappnet macht für ihre unsichere Zukunft. Hierfür leisten Schule und Kita meiner Erfahrung zu wenig. Eher wird einfach stur weitergemacht, wie bisher. Das impliziert auch, dass weiterhin elterliche Verfügbarkeit unterstellt wird, wie in den 1980er Jahren. Also dass immer ein Elternteil reichlich Zeit für extra Tasks hat. Dabei hat allerdings die Erwartung, der soziale Druck an Elternschaft zugenommen. Kinder haben heute, so scheint mir, mehr Hobbies, mehr Anregung als „früher“. Elternschaft ist viel mehr auch Darstellungsleistung und wird in Social Media und „real“ als Selbstinszenierung zelebriert. Ich beobachte da durchaus eine gewisse Überbietung mit Kindergeburtstagsaktionen, Ausflügen, Zusatzaktivitäten usw. Demgegenüber ist die Infrastruktur für Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen unterfinanziert, kaputt und personell schlecht besetzt wie nie. Und so müssen Eltern hier die schlechte Ausstattung auffangen, durch Arbeit, durch Zeit und durch Geld.
Lösungen habe ich hier keine, außer vielleicht, solche Sachen nicht einfach mitzutragen, sondern immer wieder explizit darauf hinzuweisen, dass Zeitressourcen begrenzt sind, dass berufstätige Eltern Dreifachlast tragen. Und auch, dass Eltern noch andere Bedürfnisse haben, als Elternengagement umzusetzen.