In Sachen Christa
Wie schnell das ging, vom Leseland zum Land, wo weniger gelesen wird im Ost-West Vergleich. So rasch. 10 Jahre nach der “Wende”. Finde die Aufzeichnung dieser Zeitungsnotiz als Eintrag von Christa Wolf zum 27. September 1999.
Vielleicht, das diese Funktion der Literatur als Berührungspunkt der eigenen Realität sich ganz & gar verflüchtigt hatte vor dem quasi religiösen Geifer des gegenwärtig Authentischen im Willen zur Darstellung von Etwas? Wozu noch lesen, was nicht betrifft, weder ästhetisch noch ein Leben? Diese Möglichkeit beunruhigt mich seltsamer Weise. Vielleicht schaffte es dieser Staat ungewollt, Kunst & Realität gerade in seiner wirklich umfassenden Lüge der Propaganda bis in den letzten Winkel im Leben nah am Erstickungstod zusammenzubringen.
Nicht, daß ich die Perfektion der unendlich Kunstfertigen Verstellung einer Wolf auf der doch irgenwo immer glücklichen Seite des Existenziellen nicht verstünde, aber sie hat recht, so selbstgerecht sie auch immer in eigener Darstellung ist. Vielleicht lese ich sie ganz einfach wieder darum. Notwendigkeit des Balkens für die Erkenntnis des Splitters. Es kann ja eigentlich nur um den eigenen Schmerz gehen. Immer. Das ist die verkrümmte Gestalt vor jeder Vorstellung ihrer selbst. Den evozierten Schmerz freilich nehme ich ihr nicht ab.
Der war und ist hüben wie drüben nur bourgeoise Rechtfertigung. Aber nur diese ist wirklich. Erkenntnis. Mache vielleicht meinen Frieden mit der Wolf. Endlich. Vielleicht auch mit anderen. Ich bin früh genug weg da. Dann der Mauerfall. Und immer aufgehängt an der Geschichte der “Familie” in diesem Land. Diese Wut und die Furcht bis heute kann doch keiner im ewigen Trost der kapitalen Existenz verstehen. Es ist mir auch nicht mehr wichtig. Aber das alles wiederkehrt, ist wohl zwangsläufig, und alles, was dieser Flut nicht standhalten wird, sind Geschichten von Träumen und Vorstellungen einer Wirklichkeit aus dem eigenen Schrank.
- 02. 2020
Der Geist aus dem Gerät