Die Trugschlüsse in der Argumentation der Abtreibungsgegner
Ich habe mich auf eine Diskussion mit einem philosophisch gewandten Abtreibungsgegner eingelassen (ok, ich habe ihn absichtlich provoziert). Und was soll ich sagen... Die Argumentation kann gut zusammengefasst werden mit:
“Nehmen wir an, die Kuh ist eine Kugel im Vakuum”
Warum tue ich mir so etwas an? Ich wollte unter anderem verstehen, wie solche Menschen ticken. Denn niemand sagt sich: “Was bin ich doch nur für ein toller Hecht! Ich habe eine Frau zu einem Leben in Armut verdammt, mit Depressionen und einem Kind, das sie nie wollte.”
Das umgeht man(n), indem man sich von real existierenden Frauen abstrahiert und sich hinter “Objektivität” versteckt. “Also objektiv betrachtet fängt ein Menschenleben mit der Befruchtung an, also ist eine befruchtete Eizelle ein Mensch. Und ein Mensch hat Menschenrechte.”
Diese holprige Logik erlaubt es, die mit der Eizelle verbundene Lebenssituation der Frau als ein völlig unabhängiges Problem zu betrachten. Die erkennt man natürlich an, aber dieses Problem kann jemand anders lösen. Eine “objektive” Wahrheit gibt es hier ja nicht.
Und dann braucht auch niemand zu argumentieren, dass ein Abtreibungsverbot kaum die Zahl der Abtreibungen reduziert. Klar werden Abtreibungen dadurch lediglich in die Illegalität gedrängt, denn die Beweggründe bleiben. Aber “objektiv” betrachtet ist ein Verbot richtig.
Durch ein Vorgeben von Objektivität wird hier vermieden, Empathie für betroffene Frauen zeigen zu müssen. Es wird nur über ihre Verantwortung geredet, über “fehlendes” Unrechtsbewusstsein. Natürlich aus der bequemen Position, als Mann nie in dieser Lage sein zu müssen.
Ich habe eine absurde Situation konstruiert, in der eine harmlose Tätigkeit unter der obigen Logik zur fahrlässiger Tötung wurde. Aber selbst das wurde eher akzeptiert, als minimal Empathie zu zeigen und anzuerkennen, dass niemand mit einer solchen Last leben könnte.
Tatsächlich schlüssig ist deren Logik dadurch dennoch nicht. Es ist zwar schon rein intuitiv unsinnig, einem empfindungsunfähigen Wesen Menschenrechte zuzusprechen und damit die Einschränkung der zweifellos vorhandenen Menschenrechte einer Frau zu begründen.
Aber Abtreibungsgegner verweisen immer wieder auf diese Logik. Sie fragen auch gerne nach alternativen Zeitpunkten, ab denen die Menschenrechte gelten sollen, nur um die Antwort dann nicht zu akzeptieren. Dahinter steckt ein verzweifelter Versuch, Unschärfe zu vermeiden.
Es ist unbestritten, dass ein Mensch zwischen der Befruchtung und der Geburt entsteht. Es handelt sich dabei um einen hochkomplexen Prozess, womit die Frage “aber wann denn nun genau?” unsinnig ist. Es ist die Suche nach Objektivität, wo es keine Objektivität geben kann.
Dazu kommt oft eine rückwirkende Betrachtung. “Aber dann würde ICH nicht existieren!” Das stimmt natürlich. ICH konnte nur aus einer ganz bestimmten Eizelle entstehen. Wäre dieser Eizelle etwas zugestoßen, ob vor der Befruchtung oder danach, hätte es MICH nicht gegeben.
Andererseits ist diese Eizelle nur besonders, weil ich heute existiere. Wäre sie abgestoßen worden, wäre stattdessen eine andere Eizelle befruchtet worden, und meine Mutter hätte ein anderes Kind bekommen. Diesem Kind habe ich durch meine Geburt die Existenz genommen.
Womit eigentlich klar sein sollte: objektive Antworten auf die Frage, ob eine Abtreibung moralisch richtig ist und welche Grenzen gelten sollten, gibt es nicht. Jede Festlegung hier ist notwendigerweise subjektiv, die eine Wahrheit kann es nicht geben.
Mit diesen Argumenten kommt man bei Abtreibungsgegnern aber natürlich nicht durch. Sie wollen nur ihre eigene, “objektive” Antwort akzeptieren. Denn es fehlt Abtreibungsgegnern nicht an Wissen. Wenn jemand noch dachte, dass Argumente hier etwas ausrichten: das ist natürlich nicht der Fall. Was ihnen fehlt, ist Empathie und das Gefühl persönlicher Betroffenheit. Nur so können sie sich im Recht wähnen.