Warum sind Autismus-Symptome so verbreitet?
Meine Vermutung, dass die meisten als Autismus-Symptome gehandelten Merkmale nichts direkt mit Autismus zu tun haben, hat mir nicht nur Freunde gemacht. Hier noch ein Versuch zu erklären, was es damit auf sich hat, und warum ich weiterhin an der Vermutung festhalte.
Der Satz “Sind wir nicht alle ein wenig autistisch?” ist so mit das Unpassendste, was man einer autistischen Person sagen kann. Und dennoch hört man ihn oft. Wenn jemand sich nämlich einfach die Diagnosekriterien für Autismus anschaut, sind diese Merkmale gar nicht so selten.
Ja, ich kenne selber Menschen, die so einige Punkte von der Diagnoseliste erfüllen, obwohl sie höchstwahrscheinlich nicht autistisch sind. Denn Defizite in der sozialen Kommunikation beispielsweise können in einer Vielzahl frühkindlicher Traumata begründet sein.
Auch repetitive Verhaltensweisen und das Festhalten an Strukturen sind zunächst einmal bloß eine allgemeine Stressreaktion. Dass hierdurch Sicherheit geschaffen wird, ist bei Kindergartenkindern gut dokumentiert, wird aber bei Älteren warum auch immer ignoriert.
Wohlgemerkt halte ich wenig von der Lösung, nur “qualifiziertes Personal” solle entscheiden dürfen, wer autistisch sei. Auch hier zählen diese Merkmale, die (so meine Vermutung) auch fehlen können, wenn ein autistisches Kind hinreichend akzeptiert und unterstützt wird.
Stattdessen würde ich es gerne sehen, wenn Autismus stärker über primäre Symptome wie die verstärkte Reizempfindlichkeit definiert wird. Aber in diese Richtung scheinen wir uns im Moment nicht zu bewegen.