phileas

schreibt gern Geschichten

(geschrieben vor 3 Jahren)

Nicht erst, als wir Terminator II sahen, bekam der Begriff judgement day Bedeutung. In den frühen 80ern waren wir friedensbewegt, weil wir sehr reale Angst vor der sogenannten Nachrüstung hatten. Es ging um atomar bestückte Mittelstrecken-Raketen, die sowohl der NATO als auch dem Warschauer Pakt die Strategie der flexible response ermöglichte, also einen “begrenzten atomaren Schlagabtausch“ im Falle einer konventionellen Aggression. Dass dieser begrenzte Krieg Mitteleuropa in eine atomare Hölle verwandelt hätte, verwandeln würde, wurde zB in den USA damals offen kommuniziert, in Europa tunlichst verschwiegen.

Heute ist die Ukraine zwar weder im Warschauer Pakt, den es nicht mehr gibt, noch in der NATO, aber letztere sieht sich offenbar doch sehr in der Verpflichtung, der Ukraine beizustehen, um dem Vernichtungskrieg, den Putins Russland führt, standhalten zu können.

Doch wohin soll das führen? Was kann positives dabei herauskommen? Was ist davon zu halten, dass ausgerechnet einer der größten Zyniker unter dem Himmel, Russlands Außenminister Lawrow, die Gefahr eines Weltkriegs fürchtet? Und wie soll man ruhig bleiben, wenn der Einsatz von Mini-Nukes ernsthaft diskutiert wird? Zu all der Wut, die sich im Laufe der Monate so gegen die russische Führungselite aufgebaut hat, kommt aber immer auch die Erkenntnis, dass diese Typen nicht die einzigen üblen auf der Welt sind. Sicher sind sie im Moment das Äußerste des Unerträglichen. Aber dennoch: was ist mit Erdogan oder Bolzonaro, mit Trump oder Jinping? Ok, die führen gerade keine Vernichtungskriege gegen andere Länder, Bolzonaro aber sehr wohl gegen Gruppen seines eigenen Volkes und gegen die Natur seines Landes, womit er auch dem Rest der Welt schadet. Erdogan hat die gesamte Opposition und alle, die ihm unsympatisch sind, gleich dazu in Knäste gesteckt, lässt sie foltern und auf unbestimmte Zeit ohne Aussicht auf so etwas wie rechtsstaatliche Behandlung schmoren. Und auch er führt Krieg, gegen die Kurden, auch seine Landsleute, selbst wenn er das nicht so sehen will. Und es gibt noch so viele Arschlöcher mehr, von denen man nicht täglich irgendwelche Sauereien liest, die man deshalb nicht ständig auf dem Schirm hat. Trotzdem gehören sie nicht nur entmachtet, sondern auch empfindlichst bestraft und für immer weggesperrt. Das gilt schon mal schnellstens und schärfstens für die Militärdiktatoren in Myanmar, die Taliban in Afghanistan und das islamische Regime im Iran, nebst all seinen furchtbaren Geheimdiensten.

Wenn nun plötzlich ein Wunder geschähe und die unfassbar mutigen Widerstandsgruppen in all den geplagten Ländern es schaffen würden, ihre Regierungen zu stürzen, würde die Welt dann wirklich ein besserer Ort? Dürften wir mit Frieden rechnen, wenn es keine Putins und Konsorten mehr gäbe? Ganz ehrlich, mir wäre es so viel lieber, wenn ich diese Frage bejahen könnte.

Aber ich fürchte, der Schweinehund liegt so viel tiefer. Er liegt im Kapitalismus, im entfesselten globalisierten Markt, dessen Player keineswegs nur die Extremreichen wie Musk, Bezos oder Gates sind, sondern letztlich wir alle, die wir betucht genug sind, irgendwo ein paar Mark mit zu investieren – in der Hoffnung, sie mögen uns besser durchs Alter bringen oder wenigstens die nächste größere Anschaffung erleichtern oder der Inflation etwas entgegensetzen. Und sicher, das mit dem Klima und der Umwelt ist echt ne riesengroße Scheiße – aber deswegen nun gar nicht mehr Auto fahren oder nicht mehr verreisen oder überhaupt nur ernsthaft in Erwägung zu ziehen, irgendetwas in unserem Leben zu verändern? Womöglich kein Fleisch mehr zu essen, wirklich kein Plastik mehr zu kaufen und zu benutzen und erst recht nicht auf den Müll zu schmeißen?

Schon als das Corona-Virus seinen Angriff auf uns startete, fragte ich mich, ob das ein weiteres, deutlicheres Signal sei, dass die Erde uns abzuschütteln versucht. Immer öfter denke ich, wie gut es für die Erde und das verbliebene Leben auf ihr, die Rest-Ökosysteme, wäre, wenn wir Menschen endlich verschwänden. Ins All oder in den Orkus – nur weg! Ganz weit weg! Unsere Schöngeistigkeit, unsere tollen Philosophien und Religionen, unsere Kunst und Musik – alles wirklich sehr hübsch – aber auf das Leben dieser Erde bezogen und daran gemessen, dass wir es mit deutscher Gründlichkeit zielgerichtet vernichten: drauf geschissen. Echt.

Die Natur mag uns manchmal grausam erscheinen. Aber für die Natur sind wir – wie auch füreinander – nur der reine Horror.

Wenn dieser Gott also das jüngste Gericht seit mindestens 2000 Jahren auf der Todo-List hat, dann frage ich mich immer nur mehr: worauf wartet der eigentlich?!