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Als er das erste Mal seine Umgebung bewusst wahrnahm, war er überwältigt, ja gar überfordert.

So viele verschiedene Gerüche, die der Wind transportierte, jede Brise brachte etwas neues.

Er sah sich um und erblickte nicht weit entfernt von sich noch andere, die sehr ähnlich aussahen. Die meisten waren größer, hatten Stämme, zehnmal dicker als er selbst und unzählige Blätter an sich dranhängen. Sie winkten ihm zu und mithilfe des Windes grüßte er zurück.

So vergingen ein paar Jahre und er wuchs selber zu einem prachtvollen Exemplar an, mit wunderschönen und unverwechselbaren Blüten im Frühling, satt grünen Blättern im Sommer und leuchten rotem Laub im Herbst, die er an seine Umgebung verschenkte.

Eines Tages passierte etwas merkwürdiges. In einiger Entfernung erschien ein merkwürdiges Wesen. Anders als er selbst konnte es über die Wiese laufen. Wie war das möglich? Es hatte zwei gleichdicke Stämme auf dem ein weiterer, etwas dickerer Stamm befestigt war. Seine Äste hingen hinunter und bewegten sich rhythmisch vor und zurück. Ein rundes Stück am oberen Ende des Geschöpfs schien Befehle zu geben. Es kam auf ihn zu, immer näher. Er wusste nicht, was er tun sollte. Gleichzeitig war er aber auch sehr neugierig, was geschehen würde. Das Geschöpf ging auf ihn zu und beobachtete ihn. Irgendwelche Geräusche kamen aus einem beweglichen Loch des oberen Endstücks, man konnte nichts davon verstehen. Schließlich sammelte es etwas von seinem abgeworfenen Laub auf und verließ ihn wieder.

Mit der Zeit kamen immer wieder ähnliche Ausgaben dieses Geschöpfs zu ihm. Manche waren sehr klein, einige hatten eine runzelige Rinde, andere waren wiederum sehr glatt. Oft kamen sie in Gruppen, manchmal kletterten die kleinen Wesen an ihm hoch und saßen auf seinen starken Armen. Es gefiel ihm mit der Zeit immer sehr, denn er bemerkte immer mehr, dass sich diese Gestalten bei ihm wohlfühlten. Im Sommer suchten sie vor allem seinen Schatten, deswegen gab er sich besonders Mühe, das Sonnenlicht abzuschirmen.

Einmal kamen zwei dieser Geschöpfe nachts zu ihm und nahmen Nahrung auf. Sie führten einen eigenartigen Tanz mit befremdlichen Geräuschen auf. Als sie damit fertig waren, nahm eins der Wesen einen spitzen Gegenstand und stach ziemlich fest in seinen Stamm. Er wusste kaum, wie ihm geschah, es waren unbeschreibliche Schmerzen. Wieso taten sie das? Das Geschöpf ritzte eine Weile an ihm herum, dann waren sie fertig und gingen. Er weinte. Er hatte doch niemandem etwas getan, warum verletzten sie ihn dann so? Er konnte es nicht verstehen....

Die Wunde verheilte und die Jahrzehnte vergingen. Die Geschöpfe kamen und gingen, spielten mit ihm, lehnten sich an seinen Körper, sammelten seine Blätter und streichelten ihn. Er empfand eine tiefe Zuneigung zu ihnen, mehr als zu den eigenen Artgenossen, die etwas weiter entfernt und dicht gedrängt standen. Dieses Leben wäre nichts für ihn, er wollte mehr über diese Geschöpfe herausfinden und seine Zeit mit ihnen verbringen.

Jahre später gab es einen wahnsinnigen Regenschauer. Es kam so viel Wasser vom Himmel, das viele seiner Blätter brutal abgerissen wurden. Schnelle Lichter kamen vom Himmel und der Wind war so stark, dass er befürchtete, ihm würden seine Füße aus der Erde gezogen. Eines der Lichter schlug in das dichte Gedränge seiner Artgenossen ein und ein rotes, heißes Licht breitete sich aus. Er musste mit ansehen, wie viele von Seinesgleichen jämmerlich verbrannten. Die Schreie seiner sterbenden Brüder und Schwestern hatte er noch lange im Gedächtnis. Er sah, wie die Geschöpfe kamen und einige von ihnen auf großen monströsen Kreaturen wegtrugen. Diese Kreaturen waren unheimlich, extrem laut und bewegten sich auf runden Gegenständen weg. Zudem hatte er Mühe, die Luft für einige Zeit einzuatmen. Was waren das nur für Wesen? Zum Glück waren sie schnell wieder verschwunden und es kehrte Ruhe ein.

An einem sehr warmen Morgen wachte er auf und irgendwie fühlte es sich anders an, als die Tage zuvor. Nein, eigentlich hatte er noch nie so etwas gespürt. Es war, als ob er nicht richtig aufwachen konnte, nicht mehr richtig atmen oder seine Arme schütteln. Es war kein gutes Gefühl und es wurde über Tage nicht besser. Zwei der Geschöpfe kamen nach einiger Zeit zu ihm. Sie sahen gleich aus, in einem hellen Orange, welches man hin und wieder auch auf der Blumenwiese sehen konnte. Sie sahen sich ihn ganz genau an und er war sehr erleichtert. Sie würden ihm helfen, entdecken, was er hat und es wegmachen. Einer der Geschöpfe nahm einen Gegenstand und markierte ihn an seinem Körper mit leuchtend roter Farbe. Das gleiche Rot wie sein Herbstlaub. Bald war es geschafft. Einige Tage später kam erneut ein Geschöpf, mit einem dieser lauten Monster zu ihm. Er freute sich über ihn, bald würde dieses unangenehme Gefühl ein Ende haben.

Das Geschöpf ging ganz nah zu ihm und streichelte ihn. Er hatte einen ziemlich großen Gegenstand mit dabei. Er machte eine schnelle Bewegung und plötzlich ertönte ein nicht auszuhaltendes Brummen. Es war so laut, dass es jegliches Geräusch übertönte. Bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte, was das war, legte das Geschöpf den Gegenstand an seinen Körper. Ein schier wahnsinniger Schmerz durchfuhr ihn, warum tat er ihm weh? Er versuchte zu schreien oder seine Füße aus dem Boden zu ziehen, aber er hatte keine Chance. Der Gegenstand fuhr immer weiter durch seinen Körper und auf einmal wich der Schmerz einem Gefühl der Befreiung. Die Jahrzehnte seines Lebens zogen an ihm vorüber. Die Geschöpfe, die mit ihm spielten, seinen Schutz suchten, Vögel, die Nester in seinen Kronen bauten. Eichhörnchen, die auf ihm Winterschlaf hielten, die Bienen, Ameisen und Füchse....all diese Lebewesen, die ihm immer Gesellschaft leisteten.

Und dann wurde es schwarz.