Russisch Georgien

Ich war ein paar Wochen im Urlaub: in Georgien, einem Land an der Grenze zwischen Europa und Asien. Georgien liegt am Ostufer des Schwarzen Meeres. Zwischen der ukrainischen Krim und Batumi, dem größten (und einzigen) Badeort Georgiens, liegen gerade einmal 570 Kilometer Luftlinie. Vor einigen Tagen soll in Küstennähe vor Batumi eine russische Seemine in die Luft gegangen sein. Baden im Schwarzmeer vor Georgien ist ungesund, heißt es. (Und zwar nicht nur wegen der Einleitung von Abwässern!)

Georgien ist ungefähr so groß wie Bayern oder Irland und liegt zwischen dem Großen Kaukasus im Norden, mit einigen Fünftausendern, sowie dem Kleinen Kaukasus im Süden. Nördlicher Nachbar ist Russland, im Süden hat Georgien drei Nachbarn: die Türkei, Armenien und Aserbaidschan.

Außer der Anliegerschaft am Schwarzen Meer gibt es eine weitere, nicht so erfreuliche Parallele zur Ukraine: Im Jahr 1992 erklärte die georgische Provinz Abchasien ihre Unabhängigkeit, seit 1994 ist Abchasien von russischen Truppen besetzt. Bereits 1989 hatte sich die Provinz Südossetien unabhängig von Georgien erklärt. Seit 1992 ist Südossetien ebenfalls von russischen Soldaten besetzt. Nach Putins Machtübernahme verteilte Russland seit 2002 russische Pässe an die Einwohner der besetzten georgischen Gebiete. 2008 kam es zur militärischen Konfrontation zwischen Russland und Georgien. Nur durch massive diplomatische Interventionen von NATO-Staaten konnte verhindert werden, dass Putin weitere georgische Gebiete besetzen ließ, unter anderem auch die nur mehr 40 Kilometer entfernte Hauptstadt Tbilisi. Der damalige US-Präsident George W. Bush soll Putin angerufen haben: “Keinen Schritt weiter!”

Die Unabhängigkeit Abchasiens und Ossetiens wird außer von Russland weltweit nur von einigen wenigen Staaten anerkannt.

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Enguri-Staumauer

Es gibt übrigens ein Wasserkraftwerk, das Georgien und das abtrünnige Abchasien seit der Trennung im gemeinsamen Grenzgebiet in Swanetien gemeinsam betreiben. (Merke: Geld stinkt nicht!) Die Enguri-Staumauer ist die höchste Bogenstaumauer der Erde und liefert 40 % der georgischen Stromproduktion, obwohl das Bauwerk in schlechtem Zustand ist und weniger als die Hälfte der möglichen Kapazität abgibt. (Quelle)

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Georgier und Russen verbindet eine für Westeuropäer schwer verständliche Hassliebe. Zum einen ist da die gemeinsame Vergangenheit in der Sowjetunion. Und Hand aufs Herz: Wer weiß schon, dass Josef Stalin eigentlich Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili hieß und aus dem georgischen Gori stammte, wo noch heute seine Büste und ein Stalinmuseum stehen? Außerdem kommen die meisten Touristen aus Russland nach Georgien und bringen demnach auch das meiste Geld mit. Das merkt man auch als Ausländer überall, nicht nur in den Großstädten. Auf den Straßen und an allen touristisch interessanten Orten des Landes hört man neben dem Georgischen sehr dominant die russische Sprache. (Auf unserer Reise sind mir in Tourismuszentren außerdem eine ganze Menge arabische und einige israelische Besucher aufgefallen. Westeuropäer sind hingegen deutlich in der Minderzahl.) ((Wer als Deutscher nach Georgien reist, braucht übrigens seine Herkunft nicht verschämt zu verschweigen. Georgier mögen die Deutschen! – “Where do you come from?” – “გერმანია | Germania.”))

Tatsächlich aber haben die Russen in Georgien nicht allzu viel zu lachen. Auf einer Stadtrundfahrt durch Tbilisi ließ die Fremdenführerin russische Teilnehmer unbeachtet links liegen und wandte sich direkt und nur auf Englisch an uns Westeuropäer. Natürlich sprechen fast alle Georgier auch Russisch. Aber viele vermeiden es, wo sie nur können.

In der Subkultur wird Russland als Feind wahrgenommen. Überall im Land findet man Graffitos, die das unmissverständlich klar machen. Vom einfachen aufgesprühten “FUCK RUZZIA” bis zur allgegenwärtigen Solidaritätserklärung mit der Ukraine.

An so manchem Geschäft, zumindest in Tbilisi, finden sich deutliche Hinweise an russische Gäste: Slava Ukraini! | Ruhm und Ehre der Ukraine!

Unterstützer von Putins Regime sind in diesem Laden nicht willkommen.

Es gibt sogar Restaurants, die russische Gäste nur bedienen, wenn diese zuvor eine Erklärung unterschrieben haben, dass sie die russische Expansionspolitik ablehnen. Und so mancher Fahrer eines der allgegenwärtigen Automobile mit russischen Kennzeichen schützt seinen Wagen vor Vandalismus mit zusätzlichen Aufklebern der ukrainischen und georgischen Flaggen.

Russisches Kfz mit ukrainischer und georgischer Flagge

Überhaupt findet sich die ukrainische Flagge an allen Ecken und Enden: Kraftfahrzeuge zeigen Aufkleber, Bedienungen in Restaurants und Läden tragen demonstrativ Buttons an der Kleidung, der eine oder die andere haben sich blau-gelbe Striche ins Gesicht geschminkt, von Balkonen und aus Fenstern hängen blau-gelbe Flaggen.

Ukrainische Flagge in Tbilisi

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Als Besucher Georgiens beschleicht einen manchmal ein beklemmendes Gefühl. Seine militärische Annexionspolitik gegenüber der Ukraine hatte Putin bereits an Georgien ausprobiert. Was wohl passieren mag, wenn der russische Diktator in der Ukraine scheitert und sich ein Ersatzopfer suchen muss, um nicht mit Schimpf und Schande davongejagt zu werden?

#Privates #Reisen #Politik

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– author: Ulf B. – writes in german – answers in english, german, spanish –
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