TBT: Bürgerjournalismus – Versuch einer Begriffsbestimmung

Citizen journalist

Wer sich mit der Thematik “Bürgerjournalismus” befasst, stößt früher oder später auf eine beinahe schon babylonisch anmutende Begriffsverwirrung. Buzzwords wie zum Beispiel “Citizen Journalism” oder “Pro-Am Journalism” brechen über den geneigten Leser auf vornehmlich englischen Seiten herein. Hilfreich sind diese fast täglich neu geschaffenen Modewörter selten – sie werden kaum verstanden. Sind solche Worte einmal in die freie Wildbahn entlassen, wohnt ihnen eine Eigendynamik inne, die die Verwirrung nur noch weiter anwachsen lässt. Auf ihrer Reise durch die (elektronischen) Medien, von Sendern zu Empfängern, verändert sich zuweilen ihre Bedeutung. Ich will hier darum den Versuch einer kleinen Begriffsbestimmung unternehmen und so eine erste Orientierungshilfe für Interessierte leisten.

Throwback Thursday
Dieser Beitrag von mir erschien ursprünglich vor Jahren auf einem mittlerweile offline genommenen Portal. In loser Folge grabe ich tief in meinen archivierten SQL-Datenbanken und stosse manchmal auf sowas wie Gold. Enjoy! #TBT #Bürgerjournalismus

Citizen Journalism (Bürgerjournalismus)

Dieser Sammelbegriff lässt sich am einfachsten beschreiben als journalistisches Handeln einer Person, die mit Journalismus nicht ihren Lebensunterhalt bestreitet. Eine einfache Definition für einen nicht ganz so einfachen Oberbegriff. Bürgerjournalismus in der einen oder anderen Form sind eben auch alle folgenden Begriffe.

Participatory Journalism (Pro-Am Journalism)

Dies ist die einfachste Form des Bürgerjournalismus, die von den professionellen Medien praktiziert wird. Die Konsumenten werden eingeladen, sich nach der Veröffentlichung eines Beitrags zum Beispiel in Form von Kommentaren zu beteiligen. Diese Beteiligung kann neue Fakten oder Facetten einer Story thematisieren, die dann ihrerseits wiederum in einen neuen Beitrag einfließen. Profis (Pro) kooperieren also mit Amateuren (Am), um ihre Arbeit weiterzuentwickeln.

Network Journalism

Diese Form des Bürgerjournalismus könnte man auch als kollaborativen Journalismus bezeichnen: Mehrere Individuen kommen auf einer Plattform zusammen, um gemeinsam an einer Story zu arbeiten. Dabei kommen die zwei Prinzipien “Wisdom of Crowds” (“Weisheit der Vielen”) und “Crowdsourcing” zur Anwendung. Ersteres besagt, dass das Wissen eines Netzwerks größer ist als die Summe des Einzelwissens der Mitglieder. Crowdsourcing in diesem Zusammenhang meint den Umstand, dass eine Gruppe eine Story effizienter bearbeiten kann als ein einzelner Journalist. Diese Form wird manchmal auch als Distributed Reporting bezeichnet.

Open Source Journalism

Hier wird es schwierig, ist doch Open Source ebenfalls ein Sammelbegriff außerhalb des Journalismus. Wie beim Network Journalism arbeiten auch hier mehrere Individuen kollaborativ zusammen. Allerdings unterscheidet sich die Form der Verüffentlichung. Während die Zusammenarbeit beim Netzwerkjournalismus in der Regel nach der Veröffentlichung endet, beginnt sie hier wieder von Neuem oder geht kontinuierlich weiter. Ganz im Sinne von Open Source ist nämlich der journalistische Prozess mit der Veröffentlichung nicht abgeschlossen. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

Open Source-Journalismus kann per definitionem nicht proprietär sein, sondern muss unter einer Creative-Commons-Lizenz oder anderen alternativen Formen des (Nicht-)Urheberrechts veröffentlicht werden – Public Domain, Copyleft etc.

Crowdsourced Journalism

Auch hier haben wir es wiederum mit einem Sammelbegriff zu tun, der außerhalb des Bürgerjournalismus existiert. Am einfachsten kann man Crowdsourcing so definieren: Freiwillige übernehmen eine Arbeit, die sonst von einem Profi gemacht wird. Als Beispiel kann hier der aktuelle Logo-Wettbewerb von Mister Wong genannt werden.

Weil Crowdsourcing weniger eine Handlung sondern vielmehr ein Organisationsprinzip umschreibt, fällt eine Definition des Crowdsourced Journalism schwer. Vereinfacht gesagt, Crowdsourced Journalism ist nicht etwas, das man tut, sondern an dem man sich beteiligt. So gesehen sind alle oben beschriebenen kollaborativen Formen des Bürgerjournalismus auch Crowdsourced Journalism.

(Erstveröffentlichung: 2007-09-18)


Bildquellen 1. Newfoundlandguy, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Topic #ThrowbackThursday