“Also wenn X selber ein paar Monate von Hartz IV leben müsste, dann...”
Dann würde sich genau gar nichts ändern. Oder X wäre sogar noch mehr davon überzeugt, dass es alle aus Hartz IV schaffen können, wenn sie sich nur mehr anstrengen.
Das Problem mit der Armut ist nicht bloß das fehlende Geld. Es ist auch das Fehlen der Hoffnung, dass sich in absehbarer Zeit etwas zum Besseren ändern kann. Es ist die Abhängigkeit vom guten Willen des Staates und seiner Bediensteten. Es ist die Verurteilung der Umgebung.
Davon merkt man nichts, wenn man bloß paar Monate aufs Geld verzichtet. Man weiß ja: es geht wieder vorbei. Man ist weiterhin ein angesehenes Mitglied der Gesellschaft, kein “Schmarotzer”, kein Taugenichts. Man grenzt sich weiterhin von “denen da” ab, fühlt sich überlegen.
Davon abgesehen sind ähnliche Erfahrungen keine Garantie für Empathie. Hat sich jemand hochgearbeitet, hat die Person die Tendenz, es als eigenen Verdienst und nicht lediglich als Glück anzusehen. Und dann tritt man sogar noch eher nach unten, gegen die “weniger würdigen”.
Komplizierte Probleme erfordern leider komplizierte Lösungen. Empathie muss man lernen, die kommt so einfach nicht. Machtstrukturen muss man bewusst wahrnehmen. Machtmissbrauch muss aktiv bekämpft werden. Kontrollinstanzen sind nicht optional.