Nein, Wohlfahrt sollte keine Aufgabe der Kirche sein
Im Zuge des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche kommt natürlich: “Aber die Kirche tut so viel Gutes!” Als ob das eine das andere aufwiegen würde.
Die Frage ist aber auch, warum der soziale Bereich fest in Kirchenhand ist. Tatsache ist: das ist politisch so gewollt.
Seit Jahrzehnten sinkt die Bereitschaft des Staates, Geld für soziale Programme auszugeben. Wenn es Finanzierung gibt, dann oft nur einen Teilbetrag und für kurze Zeit. Soziale Organisationen, deren Planungshorizont ein Jahr übersteigt, können sich glücklich schätzen.
Soziale Organisationen müssten ständig Mittel eintreiben, um sich über Wasser zu halten. Klappt das mal nicht, müssten Projekte aufgegeben und Personal entlassen werden. Auch bewährte und extrem wichtige Projekte.
Na ja, nicht alle soziale Organisationen natürlich. Denn für die Caritas und die Diakonie übernimmt der Staat das Eintreiben der Mittel. Diese profitieren von der Kirchensteuer und haben Planungssicherheit.
Nicht nur das, kirchliche Organisationen genießen weitreichende Ausnahmen aus dem Arbeitsrecht. Diese nutzen sie unter anderem, um die Löhne (und damit die Kosten) gering zu halten. Die Mitarbeiter*innen arbeiten schließlich nicht fürs Geld, sondern für ihr Seelenheil.
Damit ist es wenig erstaunlich, dass der Paritätische Wohlfahrsverband und AWO mit 160.000 bzw. 150.000 Mitarbeiter*innen deutlich kleiner als die Caritas ausfallen, die allein mehr als 500.000 Menschen beschäftigt. Dazu kommt noch die Diakonie mit 450.000 Mitarbeiter*innen.
Das ist eine enorme Macht, die die kirchlichen Träger da mit der Unterstützung des Staates akkumuliert haben. Diese wird traditionell genutzt, um das Image der Kirchen aufzupolieren und weitere Geldzuwendungen zu rechtfertigen. Aber nicht nur das.
Es ist typisch für kirchliche Organisationen, bei der Einstellung einen Taufnachweis zu verlangen. Damit werden weite Menschengruppen ausgeschlossen, die Diversität bleibt auf der Strecke. Leidtragende sind wir alle, denn diese Projekte bleiben hinter ihrem Potential zurück.
Mehr noch: für über eine Million Menschen, die in kirchlichen Organisationen arbeiten, würde ein Kirchenaustritt eine mögliche fristlose Kündigung bedeuten. Gut für den Machterhalt der Kirchen, schlecht für Arbeitnehmer*innenrechte.
Und dann wäre da noch die kirchliche Moral. Beispielsweise Scheidung oder Homosexualität sind eigentlich Privatsache und kein arbeitsrechtliches Thema. Überall, außer in kirchlichen Organisationen.
Das war nur ein kurzer Überblick, wo es in Deutschland bei der Trennung von Staat und Kirche hackt. Zu dem Thema ließe sich noch sehr viel mehr schreiben.