Stellung der Frauen in der Sowjetunion

#feminismus #sowjetunion #geschichte

Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert, ist verurteilt, sie zu wiederholen. (George Santayana)

Dieser Satz gilt auch für Linke, die sozialistische Staaten zu Vorreitern bei den Frauenrechten glorifizieren. Denn das waren sie mitnichten.

Bemerkung vorab: meine Erfahrungswerte beziehen sich allesamt auf die Sowjetunion. In anderen sozialistischen Ländern wie der DDR könnte es deutlich anders ausgesehen haben.

Zunächst einmal ist es richtig, dass Frauen und Männer (ja, binär) im Arbeitsleben der Sowjetunion formell gleichgestellt waren. Ob das wirtschaftliche oder ideologische Gründe hatte, will ich hier gar nicht diskutieren. Schauen wir uns lieber das Drumherum an.

Acht Stunden Lohnarbeit am Tag, zuzüglich verpflichtende Werks- und Parteiversammlungen, zuzüglich Arbeitswege, das hatten also beide Seiten. Und dann?

Dann musste beispielsweise gekocht werden, Fertiggerichte existierten ja nicht. Das übernahmen fast ausnahmslos Frauen.

Dann war da noch die Wäsche. Wer in den 80er Jahren in der Sowjetunion eine Waschmaschine (nicht unbedingt eine automatische) besaß, konnte sich glücklich schätzen. Meine Mutter verbrachte die Hälfte von jedem Samstag mit der Wäsche. Ja, auch hier waren Frauen dran.

Zwei Frauen waschen Wäsche. Vor ihnen stehen große Bottiche mit Wasser, in denen Kleidung eingeweicht wird. Eine der Frauen hält ein Waschbrett, an dem sie ein Kleidungsstück reibt.

Dieses Bild stammt aus einem Film von 1979 (Москва слезам не верит, Quelle). So in etwa kenne ich das auch noch.

Und dann waren da natürlich noch Kinder. Werktags haben die Eltern ihre Kinder kaum gesehen. Wenn sie nicht in der Kita waren, spielten sie draußen. An Wochenenden aber waren auch vor allem die Mütter für die Kinder zuständig. Von den Vätern wurde vor allem erwartet, die Kinder zu bestrafen.

Die Literatur und die Spielfilme der Sowjetunion sind von entsprechenden Stereotypen durchzogen. Mütter kochen, Töchter lernen kochen. Mütter waschen, Töchter helfen. Diese Konstanten wurden meines Wissens nach nirgendwo infrage gestellt.

Nur als Beispiel zwei Standbilder aus einem sowjetischen Zeichentrickzyklus (Обезьянки, 1983-1987) über eine Affenmama, die kocht, wäscht und nebenbei auf ihre fünf Kinder aufpasst. Sehr überzogen dargestellt natürlich, aber trotzdem als normaler Mütteralltag gezeigt.

Eine Affenmama legt irgendwelche Blätter in eine Schüssel, auf dem Herd steht ein Topf. Eine Affenmama wäscht Wäsche mit einem Waschbrett und schaut gleichzeitig, was ihre Kinder tun. Im Hintergrund ist eine Wäscheleine mit Kindersachen.

Wenn Männer mehr Freizeit als Frauen hatten, was machten sie damit? Sie gingen beispielsweise in den Hof oder in den Park und spielten: Domino, Schach, Dame, Hockey.

Vier Männer sitzen am Tisch draußen und spielen Domino Auf einer Eisfläche spielen Männer Hockey. Viele Menschen schauen zu, meist Männer und Kinder, nur ein paar Frauen.

Sowjetische Fotos zeigen immer ausschließlich Männer beim Spielen (Quelle).

Die weniger gesellschaftlich akzeptierte Freizeitbeschäftigung der Männer war das Trinken. Auch hier bezeichnend: Alkoholismus war größtenteils ein Männerproblem. Frauen hatten dafür schlicht keine Zeit.

Auch bei der Abschaffung der Stereotype beispielsweise um Kleidung und Frisuren spielte die Sowjetunion mitnichten eine Vorreiterrolle, sondern akzeptierte irgendwann widerwillig aus dem Westen kommende Trends. Ich kenne mich hier schlecht aus, aber zwei Fotos will ich zeigen.

Schuluniform der Jungen bestehend aus blauer Hose mit blauer Jacke. Schuluniform der Mädchen bestehend aus braunem Kleid mit weißer Schürze. Schwarz-Weiß-Foto, Farben nicht erkennbar. Schuluniform der Jungen ist sehr militärisch anmutend, Hose mit Mantel. Der letztere vollständig zugeknöpft und mit einem breiten Gürtel. Schuluniform der Mädchen bestehend aus Kleid mit Schürze.

Oben sind Schuluniformen, wie sie an sowjetischen Schulen in den 80er Jahren getragen wurden. Unten dagegen die Uniformen eines russischen Gymnasiums vor der Oktoberrevolution 1917. Vielleicht sieht man hier, dass die Uniform der Jungen mit der Zeit angepasst und bequemer wurde. Die der Mädchen hat sich kaum verändert.