Antisemitismus in der Sowjetunion

#antisemitismus #sowjetunion #geschichte #diskriminierung

Eine bekannte Psychotherapeutin meinte, dass nur aus der ehemaligen Sowjetunion stammende Juden eine solche Angst vor Antisemitismus hätten, nicht etwa deutsche oder amerikanische.

Das könnte stimmen. Denn der Antisemitismus war in der Sowjetunion omnipräsent. Ein paar Beispiele.

Juden waren an den meisten Hochschulen unerwünscht. In den Aufnahmeprüfungen gab es teilweise Listen mit Leuten, die nicht bestehen durften. Anderswo wurde ohne Umschweife gesagt: “Sie werden hier nicht studieren, egal wie oft Sie die Prüfung machen.” Das war “normal”.

Ich verstehe, dass es für Leute, die in Deutschland aufgewachsen sind, vielleicht schwierig ist, sich so etwas vorzustellen. Ich versichere euch allerdings, dass ich hier keine Gerüchte wiedergebe. Ich habe es aus erster Hand, von verschiedenen Menschen.

Das setzte sich dann im Arbeitsleben fort. Es war bekannt, wo man sich als Jude bewerben konnte, und wo es reine Zeitverschwendung wäre. Auch das so “normal”, dass es eigentlich nicht der Rede wert war.

Aber selbst wenn man irgendwo angefangen hat, verhinderte der Antisemitismus den Aufstieg in leitende Positionen. In einem mir bekannten Fall wollte man einen Juden wirklich in eine leitende Position befördern, also hat man ihm einen Namenswechsel nahegelegt, damit dieser nicht mehr so jüdisch klingt. Ja, er hat seinen Nachnamen dann tatsächlich geändert.

Ähnliches (aber das habe ich nicht aus erster Hand) soll auch beim Verlegen von Büchern abgelaufen sein. Juden wurden entweder nicht verlegt, oder nur dann, wenn sie sich einen russisch klingenden Pseudonym zugelegt haben.

Dazu kamen natürlich grassierende antisemitische Theorien und tätliche Angriffe. Juden wurden ganz beiläufig für sämtliche Probleme verantwortlich gemacht. Regimegegner kramten bei Lenin sogar einen jüdischen Urgroßvater aus, um Juden für Kommunismus verantwortlich zu machen.

Menschen, die den Internationalismus der Sowjetunion loben, verkennen, dass Theorie und Praxis hier sehr oft nicht zusammenpassten. In der Theorie sollte es nämlich keine Diskriminierung geben.

In der Praxis wurde aber dafür rein gar nichts getan. Denn die Ursache der Diskriminierung (wie aller anderen Übel) wurde im Kapitalismus gesehen. Ohne Kapitalismus konnte es keine Diskriminierung mehr geben. Wenn es sie in der Praxis dann doch gab, wurde darüber einfach nicht gesprochen. Problem gelöst.