Der Rassismus der EU-Flüchtlingspolitik

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Am 22. Februar schrieb ich auf Twitter:

Der Optimismus der deutschen Nachrichten, die von Putin immer noch ein Einlenken erwarten, ist ja so bewundernswert...

Ich habe genug über den 2. Weltkrieg gelesen, um kaum noch daran zu zweifeln, dass ein Krieg unmittelbar bevorsteht. Worüber ich mich getäuscht habe, war aber der Ablauf.

Meine Erwartung war: Angriff auf die Ukraine nach einer angeblichen ukrainischen Provokation. Dann würde Russland die ukrainischen Ostgebiete besetzen, weil sie ja angeblich zu Luhansk und Donezk gehören. Dann weiter vorrücken, weil sie eine “Pufferzone” brauchen. Nur zum Schutz der Zivilisten, versteht sich. Und irgendwann würde diese “Pufferzone” zur gesamten Ukraine.

Das wäre das logische Vorgehen gewesen. Denn solange Russland nicht zugibt, die ganze Ukraine erobern zu wollen, würde sich die internationale Community nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können.

Dass Russland anders vorgegangen ist, kann nur durch maßlose Selbstüberschätzung erklärt werden. Man hatte tatsächlich die Erwartung, die Ukraine innerhalb weniger Tage erobern zu können. Man hätte die Welt vor vollendete Tatsachen gestellt, wie man es bereits 2014 mit der Annexion Krims erfolgreich durchgespielt hat. Damals war die internationale Reaktion bestenfalls inkonsequent, und nur deswegen haben wir nun diesen Krieg.

Am 22. Februar haben wir eine ukrainische Freundin meiner Frau angerufen und sie überzeugt, ihre Kinder nach Deutschland zu bringen. Das Problem: sie konnte die Einreisebestimmungen der EU nicht erfüllen, insbesondere würde ihre Covid-Impfung nicht anerkannt. Während die EU die Pandemie bereits größtenteils laufen ließ, wurde sie weiterhin als Ausrede benutzt, um Einreisen aus ärmeren Ländern zu beschränken.

Dass diese Freundin dennoch schon am 27. Februar bei uns war, hat mit einer anderen Fehleinschätzung von mir zu tun. Ich habe damit gerechnet, dass die EU die Einreise aus der Ukraine unmöglich machen würde, sobald absehbar war, dass Millionen Menschen auf der Flucht sind. Das hat man ja in der Vergangenheit bereits mehrmals gesehen.

Ich habe unterschätzt, welche zentrale Rolle Rassismus dabei spielt. Solche Behandlung war nur für Syrer und Afghanen reserviert, nicht für Ukrainer. Tatsächlich hat man gesehen, dass man Menschen mit ukrainischer Staatbürgerschaft mit offenen Armen willkommen hieß. Menschen mit anderen Staatsbürgerschaften, die auch aus der Ukraine fliehen mussten, hatten weniger Glück. Insbesondere schwarze Menschen, die beispielsweise in der Ukraine studiert haben, sahen sich rassistischen Übergriffen ausgesetzt. Ihr Schicksal interessierte niemanden.

Aber mit den Ukrainer*innen war die Solidarität groß. Das sonst so fremdenfeindliche Polen hat noch am Tag des russischen Angriffs die Grenzen uneingeschränkt für Geflüchtete geöffnet. Es wurde sehr schnell enorm viel Hilfe organisiert, nicht zuletzt von Freiwilligen. Sogar die deutsche Bürokratie zeigte, dass man auf Hilfe angewiesene Menschen etwas besser behandeln kann, als man es sonst so tut.

Ich will mich ganz sicher nicht beklagen, ich bin dankbar. Der Familie geht es gut, und ich bin froh darüber.

Mich macht allerdings auch traurig, dass es überhaupt zu diesem Krieg kommen musste. Denn hier ist auch ein massives Versagen der EU-Politik ursächlich, spätestens seit 2014.

Und es macht mich traurig, dass wir anderswo in der Welt weiterhin wegsehen und Menschen im Stich lassen. Daran hat auch dieser Krieg nichts geändert.