Wie die Übernahme einer Bewegung von innen abläuft
#macht #gruppendynamik #diskriminierung
Ich habe schon einige Male die Übernahme einer gut gemeinten Bewegung durch problematische Charaktere mitbekommen, wenn auch nicht aus der nächsten Nähe. Ich schreibe mal auf, wie das in etwa abläuft, weil ich denke, dass viele die Zeichen nicht deuten können.
Zunächst einmal finden sich mehrere Menschen zusammen und gründen eine Bewegung, um die Welt zu verbessern. Man ist sich einig, was und warum zu tun ist, alle verstehen sich, es ist ein tolles Gefühl.
Schon bald gewinnt die Bewegung an Bekanntheit, es geht voran.
Eine Person X fällt immer wieder durch besonderes Engagement auf und wird deswegen sehr geschätzt. Zwar bekommt man von X einige problematische Dinge mit, aber es sind ja nur Witzchen. Über private Aussagen will man auch nicht urteilen. Und es sind ohnehin Lappalien.
Währenddessen verabschiedet sich still und leise die mehrfach marginalisierte Person Y aus der Bewegung. Zu den Gründen äußert sie sich nicht, und niemand fragt sie. Y konnte noch nie viel beitragen, und es gibt genug Neuzugänge. Insbesondere X rekrutiert viele Neumitglieder.
Einige Jahre später hat X eine dominante Position in der Bewegung erreicht. Wenn Außenstehende über die Bewegung sprechen, reden sie meist über X. Andere Mitglieder sind kaum bekannt.
Die Reichweite nutzt X, um immer problematischere Inhalte zu verbreiten. Waren es früher Witzchen, werden nun diverse marginalisierte Gruppen direkt angegriffen, und das gelegentlich sogar über offizielle Kanäle der Bewegung.
Einige Mitglieder geben an, die Bewegung wegen dem Verhalten von X verlassen zu haben. Die meisten bleiben aber und ignorieren das Problem. Begründet wird es mit dem großartigen Beitrag, den X leistet. Schließlich soll man das Ziel nicht aus den Augen verlieren.
Die Bewegung hat sich jetzt weitestgehend homogenisiert. Marginalisierte Personen gibt es kaum noch. Die meisten Mitglieder teilen die Ansichten von X, viele wurden von X selber rekrutiert. Einigen sind Kollateralschäden bloß egal. Das Ziel rechtfertigt die Mittel und so.
Dann bricht der erste große Skandal über die Bewegung herein, z.B. MeToo. Auch Y sagt aus. Der Ruf der Bewegung leidet, einige Unterstützer wenden sich ab. Echte Konsequenzen hat es aber nicht, X kann sich auf die eigene Machtbasis verlassen. Es ist nun ein Personenkult.