Kann Russland sich von innen reformieren?

#russland #imperialismus #rassismus #krieg #macht

Um die Frage in der Überschrift gleich zu beantworten: leider sehe ich schwarz dafür. Die drakonischen Strafen für jegliche Kriegsopposition machen eine Auflehnung des Volkes (wenn denn jemand eine erwartet hat) sehr unwahrscheinlich.

Aber es ist nicht nur das, da ist mehr.

Ja, viele in Russland sind gegen diesen Krieg, auch wenn sie nicht offen protestieren. Aber ein großer Teil der Bevölkerung ist dafür, und das wird sich so bald nicht ändern. Der russische Imperialismus hat tiefe Wurzeln geschlagen.

Und dann ist da noch das politische System, in dem alles auf den Präsidenten ausgerichtet ist. Deutschland hat bereits die Erfahrung gemacht, wohin das führen kann, weswegen man die Macht des Staatsoberhaupts beschränkt hat. Das hat Russland nicht getan.

Schon unter Jelzin war die Machtfülle des Präsidenten problematisch. Diese wurde unter Putin jedoch noch deutlich ausgebaut. Diese Entwicklung wieder zurückzudrehen wird ohne eine radikale gesellschaftliche Veränderung kaum noch möglich sein.

Es dürfte aber schon daran scheitern, jemanden zu finden, der es auch tun will. Navalny, der Hoffnungsträger des Westens, wird es ganz bestimmt nicht tun.

Vor vielen Jahren, noch bevor sich Navalny für den Westen aufgehübscht hat, folgte ich seinem Blog. Und ich kann mit Gewissheit sagen: Navalny und Putin sind in den meisten Punkten einer Meinung. Da, wo sie es nicht sind, zieht man womöglich Putin sogar noch vor.

Falls ihr gehört habt, dass Navalny ein russischer Nationalist sei: es stimmt. Auf Anhieb habe ich beispielsweise diesen Post (weiterhin online) gefunden, wo er die nebenan arbeitenden Tadschiken mit dem Äquivalent des N-Wortes belegt. Dabei “scherzt” er hier noch, die dem Angriff der Skinheads zugeschriebenen Leichen könnten womöglich Arbeitsunfälle gewesen sein.

Das ist wirklich nur eines der harmloseren Beispiele. Wenn es um Tschetschenen geht, dann setzt Navalny in seinem Blog voll auf das Narrativ der wilden unzivilisierten Moslems. Die Cringe-Points dieses Posts kann ich gar nicht alle aufzählen.

Wohlgemerkt kann man durchaus die tschetschenische Korruption kritisieren, ohne die dort lebenden Menschen abzuwerten. Aber bei Navalnys Korruptionskampf scheint immer wieder durch, dass für ihn nur Russen zählen.

An keiner Stelle stellt sich Navalny gegen den russischen Imperialismus, er steht vielmehr voll dahinter. Er kritisiert auch nicht die Ausrichtung der gesamten Gesellschaft auf den Präsidenten. Vielmehr macht es den Anschein, dass er lieber selber dieser Präsident wäre.

Das alles heißt nicht, dass ich das Unrecht, das Navalny angetan wurde, gut finde. Es heißt lediglich, dass ich keine Verbesserung erwarte, sollte er Putins Platz einnehmen. Ganz im Gegenteil.

Und ich habe leider der Eindruck, bei dem Großteil der Moskauer Elite (also bei den Leuten, die realistisch in Machtpositionen kommen könnten) sieht es ähnlich aus. Auch ein Machtwechsel würde also nicht viel verändern.

Dementsprechend sehe ich die einzige Chance dafür, dass uns in Zukunft von Russland angestiftete Kriege erspart bleiben, tatsächlich darin, dass sich russische Regionen von Moskau lossagen. Diese haben im Moment nichts zu sagen, sie haben dabei also viel zu gewinnen.