Ich bin immer wieder fasziniert, wie wenig sich der ukrainische (und russische) Schulunterricht in der 30 Jahren seit dem Ende der Sowjetunion weiterentwickelt hat. Da erzählt man mir beispielsweise über das Fach Werken. Wobei es aber wörtlich weiterhin “Arbeit” heißt.
Und das ergibt eigentlich nur im sowjetischen Kontext einen Sinn. Hier galt ideologisch bedingt nur das manuelle Erzeugen von etwas als Arbeit, im Gegensatz zur intellektueller Arbeit oder Dienstleistungen zum Beispiel.
In dem Fach wird auch weiter in feinster sowjetischer Manier nach Geschlecht getrennt: Jungs an die Werkbank, Mädchen an den Herd. Die beiden Mädchen meinen übereinstimmend, dass sie das Fach sogar mögen würden, wenn sie zu den Jungs dürften. Dürfen sie aber nicht.
Endlich wird klar, warum Russland seit ca. April 2021 einen maximal repressiven Kurs gegen die freie Presse und die Zivilgesellschaft fährt.
Da wurde beispielsweise die Navalny-Organisation wegen angebliches Extremismus verurteilt und liquidiert.
Sämtliche unabhängige Pressepublikationen wurden zu “ausländischen Agenten” erklärt. Das erschwerte ihre Arbeit enorm, viele mussten anschließend den Betrieb komplett einstellen. Zahlreiche Journalist*innen hatten keine andere Wahl, als Russland zu verlassen.
Wir haben einer ukrainischen Freundin angeboten, zusammen mit Kindern wenigstens vorübergehend zu uns zu kommen, solange das noch geht. Diesmal hat sie genug Angst, dass sie es tatsächlich machen würde.
Dummerweise darf sie mit CoronaVac-Impfung aber nicht einreisen.
Um das mal etwas einzuordnen: die EU benutzt die Pandemie systematisch als Vorwand, um Reisen aus “unerwünschten” Ländern einzuschränken.
Männer haben es auch nicht leicht in dieser Gesellschaft, und das meine ich völlig unironisch. Von klein auf bekommen Jungen eingetrichtert:
“Echte Männer weinen nicht.”
“Du darfst keine Angst haben, das ist unmännlich.”
“Sei stark, zeig keine Schwäche.”
Nicht immer wird das so direkt gesagt. Oft schwingt die Erwartung einfach in den Aussagen mit. Und männliche Vorbilder (echte und fiktive) leben es vor.
Ach ja, toxische Männlichkeit... Schon Kleinwagen werden größtenteils von Frauen gefahren, obwohl sie in der Stadt in jeder Hinsicht die bessere Wahl sind, solange keine Kinder dabei sind. Weil viele Männer fürchten, ihnen würde etwas abfallen, wenn sie keinen dicken Schlitten fahren.
Der Begriff der Männlichkeit ist in unserer Gesellschaft auch an das Auto geknüpft. Kein Auto zu haben ist “unmännlich”. Da wundert es nicht, dass weite Teile der Gesellschaft schon beim Erwähnen der Möglichkeit, manchmal auch Fahrrad zu fahren, gleich Sturm laufen.
Es hängt alles zusammen. Klimaschutz, Feminismus, Antirassismus und noch mehr. Es sind Themen, die alle angegangen werden müssen, wenn wir die großen Probleme unserer Gesellschaft lösen wollen.
So, das waren jetzt meine 2 Cent zu Porsche vs. Lastenrad.
Wenn ihr euch beim Lesen der Nachrichten fragt, was Russland mit der Ukraine will, wenn es schon die eigenen Territorien kaum versorgen kann: es hat auch damit zu tun, dass das kollektive Trauma Russlands, der Zerfall der Sowjetunion, nie verarbeitet wurde.
Die Propaganda der Sowjetunion war plump. Man wusste, dass ihr nicht zu trauen war. Und doch ist bei vielen Menschen etwas hängengeblieben: wir sind stark, wir werden gefürchtet und beneidet, ohne uns geht keine Rechnung auf.
Wir haben hier sehr viele russischsprachige Kinderbücher, aber kaum welche aus den sowjetischen Zeiten. Und wenn welche da sind, werden viele nie gelesen.
Ich denke, ich kann das Problem mit diesen Büchern endlich richtig artikulieren.
Wer den Kontext nicht kennt, Simon Baron-Cohen ist für eine Reihe schädlicher Theorien zu Autismus verantwortlich. Diese sind allesamt auf überholten Stereotypen basiert, bekommen aber auch heutzutage weiterhin viel Beachtung und werden auch von ihrem Autor weiter verbreitet.
Wohlgemerkt ist das Problem nicht, dass diese Theorien aufgestellt wurden. Falsche Hypothesen sind normaler Bestandteil der wissenschaftlichen Forschung. Das Problem ist, das heute noch gegen besseres Wissen an diesen Theorien festgehalten wird, zum Nachteil der Betroffenen.
Wusstet ihr eigentlich, dass in den Zehn Geboten wohl zwei verschiedene Texte verschmolzen sind, was die stilistischen Unterscheide zwischen dem Anfang und dem Ende des Textes erklärt? Vorformen der ersten Gebote werden auf spätestens 8. Jh. v. Chr. datiert.
Die restlichen Gebote, die kurz und knapp formuliert sind, sollen dagegen schon zu nomadischen Zeiten entstanden sein. In diesem Zusammenhang wird beispielsweise das Gebot gesehen, die Alten zu ehren, da deren Versorgung in dieser Zeit stets bedroht war.